Es war bereits dunkel und finster,
als wir das Zuhause vom kleinen Ehemann erreichten. Obwohl, bei genauerem
Betrachten, zu Hause konnte das hier niemand nennen. Es war kein Haus, in dem
der kleine Ehemann lebte, es war kein finsteres Loch, mitnichten der Hades. Es
kam einer Hölle bedeutend nahe und war dennoch ganz anders. Eine Halle der ewigen Verdammten
im Wald aus Bäumen erschaffen. Unzählige Wanderer kamen hier vorbei und mitten hindurch. Für blinde Augen, die nicht sahen, taube Ohren, die nicht hörten und schweigsame Stimmen, die nicht sprechen konnten, blieb dieser Ort für alle Zeit hinter dem Schleier der Wirklichkeit verschlossen. Dem kleinen
Ehemann begegnete niemand, der blind, taub oder stumm war.
Dem kleinen Ehemann begegnete nur - seine Frau.
Mürrisch und unzufrieden räumte die betagte Dame mit den grauen hochgesteckten Haaren die
Hinterlassenschaften der gestrigen Katastrophe fort. Gewütet hatten sie, ein regelrechtes Schlachtfest veranstaltet. Das Heim in Schutt
und Asche gelegt und alles wegen eines lausigen Jubiläums, wie das zwanzigtausend jährige Firmenbestehen. Nun gut, zugegeben, für einen Menschen mag das alles unglaublich klingen, welches Unternehmen bestand
schon seit der Einführung der Zeitrechnung? Für die Firma ihres kleinen Ehemannes war das kein biblisches Alter, sondern in
der Blüte des Expansion. Die Ewigkeit hatte sie überdauert, Plagen und Apokalypse überstanden, Pest und Flut überlebt und war heute beinahe der wertvollste Konzern - neben Paradies,
Totenreich und Hades. So eine Zuwachsrate an Kunden gab es niemals zuvor in der
Geschichte, wie im modernen 21. Jahrhundert. Der kleine Ehemann kam mit Umbau-
und Erweiterungsmaßnahmen nicht nach, nur Zeit zum Feiern und Saufen, die hatte er immer. Nun ja,
seine Firma ist nicht gerade die Größte im Universum - meinte seine Frau. Sie war eher erstaunlich klein im Vergleich
zur größeren Konkurrenz auf dem Gebiet der Seelenruhe, Gesellschaft der Tode und dem überquellenden Garten Eden. Ein Glück, so wurden ihnen laufend neue Kunden vermittelt. Ein klein wenig
Schlechtigkeit hatte schließlich jeder Mensch in sich und durften sie bereits Päpste, Märtyrer, Heilige und Mutter Theresa beherbergen. Selbst prominente Redner der
Weltreligionen wie Buddha statteten ihnen einen … sagen wir heißen Besuch ab und hielten Vorträge – in den dunklen Fluren der Verliese. Die Geschäfte florierten und der kleine Ehemann hatte genug zu tun. Mit Argwohn blickte
seine Frau auf ihren Unseligen, der mehr Gefallen am Betrinken hatte, anstatt „sie“ im Haushalt mit anzupacken … oder so ähnlich.
Sodom und Gomera, das waren noch Zeiten. Ein Schlachtfest ohne gleichen. Wein
und Bier flossen in Strömen und das Heim sah hinterher aus wie ein Vulkanausbruch. Ausgerastet war sie
bei dem Anblick, ihr wertvolles Porzellan unwiderruflich zerstört, ihre schöne Einrichtung ruiniert. Und was sagte ihr kleiner Ehemann dazu?
„Du wolltest doch schon lange umdekorieren, Schnuffi“.
Schwups. Ehe sie mit dem Besen ausholen konnte, war er geflüchtet. Wenigstens den Müll hätte er mit rausnehmen können.
Bei der Feier zur Sintflut-Expansion musste eine aus Eis geschnitzte Skulptur in
Form der Arche aufgebaut werden. Ihr kleiner Ehemann und seine Kumpels waren
wie die Kinder um das monströse Kaltgebilde getanzt, das ihr Heim um ein Vielfaches überragte, und glotzten um die Wette. Ohne zu bemerken, dass die lieben
Architekten eine winzige Kleinigkeit bei ihrer Planung übersehen hatten – die Eisarche an der richtigen Stelle unterhalb des Heimes zu platzieren.
Stattdessen stand es in Hanglage bergauf. In den kuschligen 60 Grad, die im
Reich des kleinen Ehemannes herrschten, begann der Eisblock zu schmelzen und
flutete nach und nach die tiefer gelegene Halle der Verdammten unseres
Ehepaares. Die Überflutung kam eindrucksvoll in ihr Wohnzimmer herein und der kleine Ehemann,
der handwerklich zwei linke Hände und Füße besaß, zuckte unschuldig die Schultern.
„Ist nicht schlimm, dann sparst du dir das Putzen, Hasi.“
Schnell war er duckend davon geeilt und bugsierte die Architekten in die
Strafabteilung zum Schlager-Contest. Wäre es nach ihr gegangen, hätten sie auf alle Zeit im Vesuv schmoren können.
Ende der Leseprobe.